Ph.D. Felipe Avila
Research Scientist

Veterinary Genetics Laboratory

Interview Juni 2021

Frage:
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns nehmen, um unsere Fragen zu beantworten, die wir gerne unter Vorbehalt Ihres Einverständnisses veröffentlichen wollen, damit immer mehr Akita Züchter und Liebhaber sich mit diesem Thema beschäftigen.

Ph.D. Avila:
Vielen Dank für die Möglichkeiten die Genetische Vielfalt im Japanischen Akita mit Ihnen zu diskutieren!

Frage:
Sie haben das Erbe von Dr. Niels Pedersen angetreten, der den Meilenstein für die Genetische Vielfalt in Akitas gelegt hat, um die Rasse zu verbessern und zu erhalten. Es gab vor ca. 6 Jahren ein Interview mit Peter v. d. Lugt und Dr. Pedersen. Teilen Sie die Meinung von Dr. Pedersen, haben Sie eine andere Meinung, oder haben sich evtl. schon neue Entwicklungen ergeben, u.a. in Bezug auf Vererbung der SA, Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen?

Ph.D. Avila:
Ich stimme Dr. Pedersen voll und ganz zu und teile seine Meinung, dass genetische Tests ein äußerst nützliches Instrument sind, das in Kombination mit ausführlichen Stammbäumen verwendet werden sollte, um im Laufe der Zeit gesündere Hunde zu züchten.

Leider hat sich seit dem Interview von Dr. Pedersen im Jahr 2015 nicht viel getan, was die genetischen Faktoren betrifft, die zu SA bei Hunden beitragen, aber eines ist sicher: Inzucht erhöht das potenzielle Risiko der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen wie SA. Ein wirksames Instrument zur Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen sind genetische Tests, die Aufschluss über den Verwandtschaftsgrad potenzieller Zuchtpartner geben, was wiederum Zuchtentscheidungen mit dem Ziel der Erhaltung und Verteilung der genetischen Vielfalt innerhalb der Rasse ermöglicht.

Erkenntnisse aus den letzten Jahren

Frage:
Seit 2015 gibt es nun den Test für die Genetische Vielfalt im Akita von VGL. Die ersten Phasen mit Diversitätsprüfung und Studienphase sind vorbei, und Sie haben aktuell Daten von mittlerweile über 500 Zuchthunden in der VGL Datenbank. Sind sie zufrieden mit dieser Anzahl?

Ph.D. Avila:
Bis zum Dezember 2021 haben wir beim VGL über 750 Akitas verschiedener Varietäten getestet. Auch wenn diese Zahl ein gutes Bild der genetischen Vielfalt innerhalb der Rasse vermittelt, ist es umso besser, je mehr Individuen wir testen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe:

Erstens können wir die genetische Vielfalt in einer Population genauer einschätzen, wenn wir genetische Daten von einer größeren Anzahl von Tieren haben, und zweitens ermöglichen uns die fortlaufenden Tests von Hunden, die Entwicklung und den Trend der genetischen Vielfalt in der Rasse im Laufe der Zeit zu beobachten. Auf diese Weise können Akitazüchter fundierte Verpaarungsentscheidungen auf der Grundlage aktuellerer Daten zur genetischen Vielfalt treffen.  

Frage:
Sehen Sie bereits eine Verbesserung der Genetischen Vielfalt und den Haplotypen in unserer Rasse?

Ph.D. Avila:
Nach unserer jüngsten Bewertung der genetischen Vielfalt der Rasse, die 2019 veröffentlicht wurde (https://vgl.ucdavis.edu/canine-genetic-diversity/akita), weisen Akitas ein relativ hohes Maß an Inzucht auf, wobei die japanischen Akitas im Vergleich zu den Amerikanischen Akitas stärker betroffen ist, was möglicherweise auf einen Gründereffekt zurückzuführen ist. Die gute Nachricht ist jedoch, dass wir seither 200 zusätzliche japanische Akitas getestet haben und die genetische Vielfalt sowohl für die STR-Loci im gesamten Genom als auch für die DLA-Region ziemlich ähnlich geblieben ist.

Wie Dr. Petersen in seinem Interview erläuterte, ist die DLA-Region äußerst wichtig für die Immunregulation; daher ist es das Ziel, die genetische Vielfalt in dieser Region zu erhalten (und idealerweise zu erhöhen), um das Auftreten von Autoimmunerkrankungen in der Rasse zu verhindern. Dies deutet darauf hin, dass die Züchter bei der Erhaltung und Verteilung der Heterozygotie sowohl im gesamten Genom als auch in der DLA-Region im Laufe der Zeit gute Arbeit geleistet haben.  

Frage:
Was wären aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte um die genetische Vielfalt (weiter) zu verbessern zusammen mit VGL?

Ph.D. Avila:
Ich glaube, dass es wichtig ist, Akitas weiterhin zu testen, um die bestehende Vielfalt in der Zukunft genau zu überwachen, sowohl im gesamten Genom als auch in der DLA-Region. Dies lässt sich am genauesten mit Hilfe der IR-Werte unseres Gentests erreichen, um möglichst unverwandte Hunde zu verpaaren. Darüber hinaus sind die Prüfung von STR-Loci im gesamten Genom und die Bewertung von Haplotypen der DLA-Klassen I und II erforderlich, um die genetische Vielfalt besser auszugleichen und zu erhalten und als Ergänzung zu detaillierten Stammbäumen. Das Ziel der Züchter sollte es sein, Hunde zu züchten, deren IR-Werte nahe bei (oder unter) Null liegen. Die Partner sollten vorzugsweise so ausgewählt werden, dass eine Homozygotie an allen genomischen Loci oder DLA-Haplotypen der Klassen I und II vermieden wird, und die Verpaarung von Hunden mit weniger gemeinsamen Genom- Allelen oder DLA-Haplotypen wird empfohlen.

Unterschiedliche Haplotpyen

Fraget:
Wir sehen in der VGL Statistik, 70 bis 80% der bisher getesteten japanischen Akita tragen die vier häufigsten Haplotypen der Klasse 1 und die vier häufigsten der Klasse 2 in sich. Oder anders gesagt: Wir haben 4 Haplotypen in DLA 1, die in 88% aller erfassten japanischen Akitas vorkommen.

Wir rangieren mit unserer Rasse fast auf dem schlechtesten Rang (bezogen auf die Anzahl der Haplotpyen) von allen Rassehunden in Ihrer Datenbank.

Was soll man machen, wenn wir an dem Punkt angelegt sind, wenn wir keine Verpaarung mehr vornehmen können um unterschiedliche Haplotypen in den Welpen zu bekommen?

Ph.D. Avila (VGL):
Dr. Pedersen sagt (und ich stimme ihm zu), dass ein relativer Mangel an genetischer Vielfalt (wie im Fall der DLA-Haplotypen beim Akita) nicht per se schlecht ist, solange die Züchter mit Bedacht vorgehen, um einen Verlust oder ein Ungleichgewicht der vorhandenen Vielfalt zu vermeiden. Genetische Tests können Züchter dazu anleiten, die Häufigkeit der weniger häufigen DLA-Haplotypen langsam zu erhöhen, um die bestehende genetische Vielfalt in der Rasse wieder auszugleichen.

Frage:
Was können Sie den Züchtern der Rasse Akita mit auf dem Weg geben?

Ph.D. Avila (VGL):
Als Genetiker würde ich den Züchtern raten, die wertvollen Informationen, die genetische Tests liefern, zusätzlich zu den Stammbäumen zu nutzen, um Zuchtentscheidungen zu treffen. Dies ist besonders wichtig bei Rassen, bei denen Autoimmunkrankheiten häufig vorkommen, wie z. B. beim Akita, da die Gene in der DLA-Region eng mit der Immunregulation verbunden sind.

Frage:
Gibt es in der Gentischen Vielfalt eine positivere Entwicklung für unsere Rasse und können wir auf Mutationen hoffen, z.B. von neuen Haplotypen, die noch nicht in der Datenbank der Rasse enthalten sind?

Ph.D. Avila:
Da der Akita eine relativ bekannte Rasse ist, sind die Chancen, zusätzliche autosomale und DLA-Allele zu identifizieren, umso größer, je mehr Hunde wir testen, auch wenn diese DLA-Allele weniger häufig vorkommen. Dieses Wissen ist potenziell nützlich für Züchter, die es dazu nutzen können, diese zusätzlichen Allele durch sachkundige Zuchtpraktiken in der Population zu verbreiten.

Zukunftsaussichten

Frage:
Würden Sie mit uns eine gemeinsame Prognose wagen, wie lange wir benötigen würden, um die Rasse vielfältiger zu machen und sich dies in mehr seltenen Allelen und einer höheren Anzahl von unterschiedlichen Haplotypen zeigt?

Ph.D. Avila:
Dies ist schwer vorherzusagen, da die Vielfalt von mehreren Variablen abhängt. Die Züchter müssen jedoch bedenken, dass es wichtig ist, möglichst unverwandte Hunde zu verpaaren, um die genetische Vielfalt in der Rasse zu erhalten und zu vergrößern. Wenn wir so viele Individuen wie möglich testen, können wir möglicherweise Individuen mit seltenen Allelen in der Zuchtpopulation finden und so die Häufigkeit solcher Allele erhöhen, indem wir diese Tiere in den Zuchtpool aufnehmen.

Frage:
Wie beurteilen Sie die Möglichkeit der Auskreuzung, um unsere Rasse zu verbessern (z. B. Outcrossing). Wäre das für unsere Rasse zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll? Was sollte zum heutigen Zeitpunkt unser Hauptziel sein?

Ph.D. Avila:
Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich, dass es das Ziel sein sollte, die bestehende genetische Vielfalt innerhalb der Rasse zu erhalten und zu verbreiten. Wir haben im VGL Rassen getestet, die genetisch weit weniger vielfältig sind als der Akita, daher sehe ich für die nahe Zukunft kein düsteres Szenario für die Rasse voraus, solange die Züchter gemeinsam auf das oben genannte Ziel hinarbeiten. Die Einkreuzung von anderen Rassen ist ein heikles Thema, denn es gibt Züchter, die diese Praxis befürworten, um die genetische Vielfalt zu erhöhen, während andere Züchter sie vehement ablehnen, da sie die Einschleppung von Allelen ermöglicht, die möglicherweise den rassebestimmenden Phänotyp verändern könnten. Wie ich jedoch bereits sagte, glaube ich nicht, dass dies derzeit ein Problem für Akita-Züchter sein sollte.

Risikofaktoren

Frage:
Im Interview von Dr. Pedersen war die Rede von voraussichtlich bestimmten Haplotpyen, die mit Risikofaktoren in Bezug auf Autoimmunerkrankungen behaftet sein könnten (wie es z. B. bei den Pudeln der Fall war). In Bezug auf die geringe Anzahl von Haplotypen in unserer Rasse, müssten grob geschätzt ca. 50% der Population ein Risiko in sich tragen. Wie sehen Sie das?

Haben Sie Haplotypen identifiziert, die ein höheres Risiko mit sich bringen?

Ph.D. Avila:
Leider kann ich diese Frage im Moment nicht beantworten, da dies eine eingehendere Untersuchung der Genetik der SA bei Akitas erfordern würde. Nach den Studien von Dr. Pedersen über Standardpudel und Italienische Windhunde ist die Häufigkeit von Autoimmunkrankheiten zu etwa 50 % vererbbar; die anderen 50 % werden durch andere Faktoren beeinflusst. Wir wären in der Lage, Ihre Frage zu beantworten und DLA-Haplotypen zu identifizieren, die möglicherweise mit einem erhöhten Risiko bei Akitas in Verbindung stehen, indem wir eine Forschungsstudie durchführen, die sich auf die Beantwortung dieser Fragen konzentriert, so wie es Dr. Pedersen bei Pudeln und Italienischen Windhunden getan hat. 

Akita und SA

Frage:
Bei SA liegt keine rezessive Vererbung vor, sondern eine komplexe genetische Störung mit polygenetischer Vererbung. Wie sollten die Züchter hier mit den Vorfahren umgehen? Wie sollte das ihre Zucht beeinflussen? Wie würden Sie als Genetiker hier als Züchter agieren?

Ph.D. Avila:
Hier möchte ich auf die Antwort von Dr. Pedersen auf eine ähnliche Frage in seinem Interview verweisen: „Diese Arten von Krankheiten sind uralt und können im Prozess der Domestizierung und Evolution des Hundes Tausende von Jahren zurückreichen. Wenn eine Krankheit nach einem bestimmten genetischen Engpass (bottleneck) auftritt, wie z. B. bei einem beliebten Zuchttier, z.B. eines Deckrüden, müssen die Stammbäume über diesen Engpass hinausgehen, um überhaupt von Wert zu sein. Stammbäume über drei oder fünf Generationen sind wertlos, wenn der Engpass, der die Krankheit verursacht hat, vor diesen Generationen auftrat.

Außerdem ist eine Ahnentafel wie eine Familiengeschichte, die Aufschluss über einzelne Vorfahren gibt, z. B. ob es sich um einen Champion handelte, woher seine Vorfahren kamen, wie viele Welpen er gezeugt hat usw. Sie sind jedoch nur ein theoretisches Maß für den genetischen Anteil, z. B. 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, usw. Sie berücksichtigen nicht die genetische Neukombination und etwaige Verfälschungen oder Fehler, die aufgetreten sein könnten. Die einzige Möglichkeit, den tatsächlichen genetischen Anteil der Vorfahren zu bestimmen, ist ein genetischer Test. Das soll nicht heißen, dass Stammbäume wertlos sind – sowohl Stammbäume als auch genetische Tests auf der Grundlage der DNA sind wichtig für eine gründliche Untersuchung einer Rasse.“

Entscheidungen auf Basis des Mating Calculator

Frage:
Wenn Sie Züchter wären, welche Verpaarungsentscheidung 1) oder 2) würden Sie treffen?

1) Eine Verpaarung von zwei Hunden mit dem Ergebnis des Verpaarungsrechners: 1 und 1 gemeinsame Haplotypen. Die beiden Hunde passen in den phänotypischen Merkmalen 100%ig gut zusammen

oder

2) Eine Verpaarung von zwei Hunden mit dem Ergebnis des Verpaarungsrechners: 0 gemeinsame Haplotypen. Die beiden Hunde passen in den phänotypischen Merkmalen zu 50 % gut zusammen.

Ph.D.Avila
Das Ziel des Verpaarungsrechners ist es, den Züchtern bei der Auswahl möglichst unverwandter Hunde zu helfen, um die derzeit in der Zuchtpopulation vorhandene Heterozygotie zu erhalten und zu verbreiten. Daher bin ich der Meinung, dass die zweite Option besser wäre, da dies darauf hinweisen würde, dass diese Hunde nicht so eng miteinander verwandt sind wie die Hunde in Option 1, und auch eine größere haplotypische Variabilität in die Zucht einbringen würde. Dies wird durch die Variabilität der phänotypischen Merkmale zwischen den beiden Hunden bestätigt, da genomische Loci mit einer höheren genetischen Vielfalt innerhalb der Rasse, mit der phänotypischer Variation in den Individuen verbunden sein können.

Frage:
Wie wichtig ist es die Genetische Diversität weiter unter Null auszurichten für unsere Verpaarungen?

Ph.D. Avila:
Bei den Kennzahlen zur genetischen Vielfalt deuten sowohl die innere Verwandtschaft (IR) als auch der Inzuchtkoeffizient (F) unter null auf Auszucht hin und sind daher erwünscht. Was die interne Verwandtschaft (IR) betrifft, so sind die Ergebnisse unseres genetischen Tests äußerst nützlich für die Auswahl potenzieller Partner. Idealerweise sollten Züchter anstreben, im Laufe der Zeit Welpen mit IR-Werten unter null zu züchten. Dies kann erreicht werden, indem man Zuchthunde testet und ihre IR-Werte verwendet, um Welpen mit gleicher oder höherer Diversität zu züchten. Außerdem zeigt ein Inzuchtkoeffizient (F) von Null an, dass sich eine Population im Hardy-Weinberg-Gleichgewicht befindet, oder anders ausgedrückt, dass die Partnerwahl völlig zufällig ist. Dies wird in ausgezüchteten Populationen erreicht.  


Vielen Dank für Ihre Antworten und die Möglichkeit ein Interview zu erhalten.

Ph.D. Avila:
Es war mir eine Freude Ihnen ein Interview zu geben.